Geschichtswissenschaft in Polen
Forschungen und Institutionen
Die Thorner archivalischen, bibliothekarischen und musealen Sammlungen als Werkstatt des Historikers
Thorn ist eines der wichtigsten Zentren der historischen Wissenschaften in Polen mit einer festgefügten, langen Tradition und ziemlich genau abgegrenzten Forschungsfeldern. Die örtlichen archivalischen Sammlungen, die Bestände an alten Drucken und die wissenschaftlichen Bibliotheken der Stadt bilden in hohem Maße die Grundlage der hiesigen historischen Forschungen. Ihre Bedeutung reicht weit über die Stadt hinaus, weshalb sie Forscher aus ganz Polen wie aus dem Ausland nach Thorn führen. Die folgende Zusammenstellung informiert nicht nur über die Institutionen, die für den Historiker wichtige Quellen und Materialien sammeln, sondern auch über die Bibliotheken, welche ältere und zeitgenössische wissenschaftliche Literatur bereithalten. Die folgenden Informationen sollen Personen, die nach Thorn kommen, eine bessere Planung ihrer wissenschaftlichen Arbeit ermöglichen.
Das Staatsarchiv Thorn ist „wenn es um seine wertvollsten Bestände geht“ Erbe und Fortsetzer des Thorner Stadtarchivs, welches schon im Mittelalter bestand. Dessen älteste Quellen stammen allerdings erst aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. 1951 wurde dem Archiv der Status eines staatlichen Archivs zuerkannt, 1976 schuf man auf dieser Basis das staatliche Wojewodschaftsarchiv Thorn. Dessen Tätigkeit umgreift seither die ein Jahr zuvor entstandene Wojewodschaft Thorn, später wurde seine Zuständigkeit auf die Wojewodschaften Włocławek (Leslau) ausgedehnt. Das heutige Staatsarchiv Thorn unterhält neben dem Hauptsitz Außenstellen in Graudenz und Włocławek. In Thorn selbst ist das Staatsarchiv seit dem 1. September 1996 in zwei Gebäuden untergebracht: zum einen in Podgórz auf dem linken Weichselufer im ehemaligen Kino „Flisak“ (ul. Idzikowskiego 6), welches für archivalische Bedürfnisse umgebaut worden ist; das Hauptgebäude befindet sich am Plac Rapackiego 4 in der Altstadt. Hier sind die bis zum Ende des 18. Jahrhunderts entstandenen Quellen untergebracht (Abteilung I), während in Podgórz Akten des 19. und 20. Jahrhunderts aufbewahrt werden. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um eine mechanische Aufteilung, da einzelne Bestände oder Beständegruppen diese Zäsur überschreiten. Die in Abteilung I des Thorner Archivs gesammelten Bestände kann man in fünf Gruppen aufteilen: 1. Das Archiv der Stadt Thorn, 2. das Archiv der preußischen Lande, 3. Stadt-, Gemeinde- und Zunftakten, 4. Akten konfessioneller Einrichtungen und 5. Akten von Organisationen und Verbänden. Den wichtigsten und wertvollsten Teil bildet die erste Gruppe. Das Thorner Archiv wurde in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts unter Leitung des Stadtsyndikus Georg Bender überarbeitet. Der gesamte Bestand, nicht nur das Archiv der Stadt Thorn, sondern auch das Archiv der preußischen Lande, die Zunftakten und die Akten anderer Städte sowie die kartographischen Sammlungen wurden in vier Gruppen aufgeteilt, für die vier Buchkataloge in deutscher Sprache maschinenschriftlich erstellt wurden: Katalog I Urkunden und Briefe, Katalog II Bücher und Akten, Katalog III Zunftbriefe, Katalog IV Zunftakten. Diese Struktur, mit den aus der wissenschaftlichen Literatur bekannten Signaturen, die sich aus einer beziehungsweise zwei römischen (Nummer des Katalogs und Bestandsgruppe innerhalb der Kataloge II und IV) sowie arabischen Ziffern (eigentliche Nummer der Einheit) zusammensetzen, wurde im 20. Jahrhundert schrittweise modernisiert und vervollständigt, wobei die einzelnen Abteilungen nach den zeitgenössischen archivalischen Richtlinien bearbeitet wurden. Noch vor dem Zweiten Weltkrieg wurden die kartographischen Sammlungen gesondert von Helena Piskorska bearbeitet und in einem gedruckten Katalog veröffentlicht. In den sechziger und siebziger Jahren wurden die Akten der Stadt aus der preußischen Zeit (1793-1920) gesondert bearbeitet. In den achtziger Jahren erhielten die Akten der Thorner Zünfte (ehemaliger Katalog IV) ein neues Inventar mit 96 Abteilungen. Bearbeitet wurden auch die Akten der anderen Städte. Die erwähnten deutschen Kataloge bilden jedoch nach wie vor die einzige Findbehelfe für Urkunden und Briefe (Katalog I) sowie Zunftbriefe (III). Die Inventarisierungsarbeiten für die in Katalog I enthaltenen Bestände stehen vor dem Abschluss. Auch der Katalog II ist weiterhin erste Anlaufstelle, wenn es um die städtischen Bücher und Akten aus dem sog. •altpolnischen Abschnitt•(bis 1793) sowie um das Archiv der preußischen Lande geht. (Für letzteres existiert jedoch ein gedrucktes Idealinventar von Irena Janosz-Biskupowa.) Gleiches gilt für eine Abteilung des Kataloges II, welche die Handschriften bibliothekarischen Charakters, insbesondere die alten Stadtchroniken enthält. Auch für diese Bestände, die nicht nur die im Katalog aufgeführten Bestände, sondern ungefähr 27 laufende Meter loser Akten umfassen, welche bislang nicht erfaßt worden waren, dauern intensive Inventarisierungsarbeiten noch an. Das Archiv der Stadt Thorn ist für die Zeit bis zu den Teilungen Polens eines der interessantesten und am besten erhaltenen städtischen Archive in Polen, obwohl es infolge des Rathausbrandes bei der schwedischen Belagerung 1703 bedeutende Verluste zu verzeichnen hatte. So wurden fast alle damals existierienden Ratsbücher vernichtet. Darüber hinaus lagern in Haus I einige Akten (z.B. Zunftakten) anderer Städte des Kulmer Landes wie Kulm, Kulmsee, Gollub, Górzno, Schönsee, Briesen, außerdem die Akten des 1938 Thorn eingemeindeten Podgórz. Unter den Archivbeständen zu konfessionellen Institutionen verdienen die Akten der Thorner Klöster (4 Abteilungen), die Akten der römisch-katholischen Kirchen und Pfarreien der Kulmer Diözese (22 Abteilungen), die kürzlich bearbeiteten Akten der evangelischen Gemeinden (18 Abteilungen) und schließlich der kleine Bestand der jüdischen Gemeinde in Thorn hervorgehoben zu werden. Hier befindet sich auch ein interessantes Adelsarchiv, nämlich das der Familie Sczaniecki aus Nawra verzeichnet. Unter den Beständen von Organisationen und Verbänden lohnt es sich, auf die Akten der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Thorn (Towarzystwo Naukowe w Toruniu) (1876-1959) sowie deren (in ihrem Wert freilich unterschiedlichen) archivalischen Sammlungen für den Zeitraum 1587-1923 hinzuweisen. In Haus I verfügt das Thorner Archiv zusätzlich über eine reiche und wertvolle Handbibliothek. Sie umfasst die im zwanzigsten Jahrhundert zur Geschichte Thorns und Pommerellens veröffentlichte Forschungsliteratur, darunter insbesondere solche Arbeiten, die auf der Grundlage von Thorner Archivalien verfasst worden sind. In Haus II werden „wie bereits erwähnt“ die im 19. und 20. Jahrhundert entstandenen Archivalien gesammelt. Hier befindet sich die Fortsetzung des städtischen Archivs mit den Akten aus preußischer Zeit 1793-1920 (Amt C), aus der Zwischenkriegszeit 1920-1939 (Amt D) und aus der nationalsozialistischen Besatzungszeit 1939-1945 (Amt E), außerdem Grundbücher (Amt F) und Bauakten (Amt G). Die kartographische Sammlung der Stadt Thorn wird in Haus I aufbewahrt, die archivierte technische Dokumentation hat ihren Platz in Haus II. Dort sind noch die Akten der allgemeinen Verwaltung seit Anfang des 19. Jahrhunderts zu finden, vor allem die der Behörden auf dem Gebiet des Kreises Thorn sowie einiger angrenzender Kreise, Akten einiger benachbarter Gemeinden und der Fachverwaltungen (staatliche Katasterämter, Bauämter usw.). Eine wichtige Gruppe bilden die Akten verschiedener Gerichtsbehörden, unter denen folgende Bestände quantitativ hervorragen: Königliches Amtsgericht in Thorn (1881-1921), Sąd Grodzki (Grodgericht) w Toruniu (1920-1939), Amtsgericht Thorn (1940-1944). Zum Bestand des Hauses II gehören weiterhin die Notariatsakten der Städte Thorn, Kulm, Kulmsee, Gollub, Schönsee und Briesen, die mehrheitlich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert einsetzen. Das Staatsarchiv Thorn verwahrt des weiteren Akten verschiedener Institutionen, die in den letzten Jahrzehnten angefallen sind; diese werden hier schrittweise bearbeitet und Interessierten zugänglich gemacht. Eine wichtige und interessante Position ist der Nachlass des Wojewodschaftskommitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (PZPR) in Thorn, der z. Z. bearbeitet wird. In den auswärtigen Abteilungen des Thorner Staatsarchivs überwiegen jüngere Bestände aus dem 19. und 20. Jahrhundert. In Graudenz sind dies vor allem der Bestand des Graudenzer Magistrats 1772-1920, der zu ungefähr 20% erhalten ist, ferner Grundbücher und Bauakten (auch aus späteren Zeitabschnitten) sowie die Akten der allgemeinen, der Fachverwaltung und der Gerichtsbehörden hauptsächlich aus der Stadt und dem Kreis Graudenz. Im Graudenzer Archiv befinden sich noch Reste älterer Bestände, vor allem die Stadt Graudenz betreffend, u.a. die städtische Willkür von 1642, Schöffenbücher der Jahre 1531 bis 1555 und 1593/94, das städtische Einnahmen- und Ausgabenbuch 1592-1599 und ein Register des städtischen Pachtzinses aus dem 17. Jahrhundert. Erhalten sind fünf Bücher des Jesuitenklosters in Graudenz aus dem 17./18. Jahrhundert.
Das Archiv in Włocławek sammelt Bestände, die die Stadt und das Gebiet dieser Wojewodschaft seit Ende des 18. Jahrhunderts betreffen (mit Ausnahme zweier Urkunden Władysław IV. und Jan Kazimirs aus der Mitte des 17. Jahrhunderts). Zu den ältesten Beständen zählen die Akten der Stadt (1787-1989) und des Kreises Włocławek (1809-1975) sowie der Stadt Nieszawa (Nessau) (1807-1939), außerdem lagern hier Akten des 20. Jahrhunderts aus den Kreisen Nieszawa, Aleksandrów Kujawski, Lipno, Rypin und Radziejów sowie Akten der Gerichtsbehörden (darunter Hypotheken- und Erbpachtbücher, Notariats- und Gerichtsakten). Unter den Behörden der Fachverwaltung kann man die Akten der Bauern-Kommissare (1868-1914) und der Kreisämter für Repatriierung und Auflösung (1945-1950) hervorheben. Zudem besitzt das Archiv Akten von Wirtschaftsbehörden, die teilweise bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, sowie Zivilstandsakten von 81 römisch-katholischen, neun evangelisch-augsburgischen und 11 jüdischen Gemeinden aus dem 19. Jahrhundert.
Das Archiv der Nikolaus-Kopernikus-Universität entstand auf Grundlage eines Senatsbeschlusses vom 16. September 1948. Durch seine Verbindung mit dem geschichtswissenschaftlichen Umfeld hatte das Archiv von Anfang an den Charakter einer wissenschaftlichen Arbeitsstelle. Organisator war Prof. Bronisław Włodarski. Das Archiv besitzt selbstverständlich in erster Linie Materialien aus der Geschichte der Universität, aber wegen ihres Ranges und ihrer historischen Wurzeln hat es doch grundsätzliche Bedeutung für Forschungen zur Geschichte der polnischen Wissenschaft und Kultur. Es sammelt vor allem die behördliche Dokumentation der Universität und aller ihrer Organisationseinheiten. Erwähnen sollte man die Senatsprotokolle, die Protokolle der Fachbereichsräte, Rechenschaftsberichte und Statistiken, personenbezogene Akten der Mitarbeiter und Studenten (darunter Magister- und einige Doktorarbeiten). Das Archiv bemüht sich, Materialien zu sammeln, die mit der weiteren Tätigkeit der Universität und ihrer Mitarbeiter zusammenhängen: Unternehmungen wissenschaftlichen und festlichen Charakters (Konferenzen, Tagungen, Symposien beziehungsweise Jubiläen, Treffen von Absolventen u.ä.) sowie Dokumentation der Vereinigungen, die an der Universität tätig sind (darunter die Akten der Thorner Abteilung der Polnischen Historischen Gesellschaft). Eine höchst wertvolle Abteilung des Archivs bilden die Nachlässe von Professoren der Universität, u.a. der Historikerin Jadwiga Lechicka und der Historiker Adam Dygdała, Witold Łukaszewicz, Józef Mossakowski und Bronisław Włodarski. Die Professoren Andrzej Tomczak und Jerzy Serczyk übergaben zu Lebzeiten Teile ihrer persönlichen Archive dem Universitätsarchiv. Andere Nachlässe sind in die Bestände der Universitätsbibliothek eingegangen. Ähnlich wertvoll sind Materialien, die durch die Tätigkeit des Archivs selbst entstanden: Berichte und Erinnerungen verschiedenen Charakters und verschiedener Form (schriftlich oder als Tonaufnahmen) von solchen Personen, die mit der Universität verbunden waren. Daneben sammelt das Archiv ebenfalls fotographische Dokumente (u.a. besitzt es einen Teil des Archivs des berühmten Thorner Fotographen Alojzy Czarnecki). Über die normale Sammeltätigkeit hinaus ist das Universitätsarchiv im Bereich Wissenschaftsinformation tätig. Bibliographische Veröffentlichungen enthalten die in den Fachbereichen der Universität entstandenen Magister- und Doktorarbeiten. 1995 beteiligte sich das Archiv an Publikationen anläßlich des 50-jährigen Bestehens der Universität.
Die Stiftung „Archiv der Landesarmee für das Gebiet Nordpolens“ entstand in Thorn 1990. Ihre Gründung geht auf Initiative und Bemühungen von Frau Prof. Elżbieta Zawacka zurück, Offizier im Generalstab der Landesarmee und einzige Frau, die während des Zweiten Weltkrieges in geheimer Mission mit dem Fallschirm über Polen absprang. Die Stiftung gliedert sich in das Archiv, eine systematisch sammelnde Spezialbibliothek, eine Museumsabteilung, einen historischen Verein und einen Verlag (Biblioteka Fundacji Archiwum Pomorskie Armii Krajowej), dessen Redaktionskomitee Prof. Andrzej Tomczak leitet. Das Archiv setzt sich aus drei voneinander getrennten Teilen zusammen: Den ersten Teil bildet das Archiv „Pomorze“, das alle Materialien sammelt, welche die geheime Widerstandstätigkeit während des Zweiten Weltkrieges in Nordpolen betreffen: Berichte, Bild- und andere Dokumente (darunter das Archiv des Stabes des Pommerellischen Bezirkes der Landesarmee). Die Sammlung umfaßt 1.618 Einheiten. Den zweiten Teil bildet das „Archiv des Militärdienstes von Frauen“. Dessen Ziel ist es, Dokumente aller Art über Polinnen zu sammeln, die im Zweiten Weltkrieg an allen Fronten kämpften. Gegenwärtig überwiegen Berichte, welche in ungefähr 690 personenbezogenen Ordnern abgelegt sind. Den dritten Teil bildet das Archiv der AK-Einheit „Zagroda“, das in erster Linie Berichte (bislang belaufen sie sich auf ca. 270 Archiveinheiten) sammelt. Daneben nimmt die Stiftung organisatorische, popularisierende (wissenschaftliche Sitzungen, Jubiläumsfeiern, Erinnern an Personen aus der Widerstandsbewegung u.a. durch Straßenbenennungen und Gedenktafeln) und verlegerische Aufgaben wahr. Seit Bestehen der Stiftung erschienen im Rahmen der „Biblioteka“ ca. 20 Bände, vor allem Tagungsmaterialien und Monographien, die verschiedenen Aspekten der Widerstandsbewegung in Pommerellen gewidmet sind. Für das Jahr 2000 ist die Veröffentlichung eines Sammelwerkes zum polnischen Untergrundstaat in Pommerellen geplant.
Das Diözesanarchiv in Thorn ist noch nicht vollständig organisiert und auch nicht selbständig tätig, doch ist seine Einrichtung für die nächsten Jahre fest eingeplant. Die Diözese Thorn besteht seit 1992 und deckt sich territorial weitgehend mit dem historischen Bistum Kulm, dessen Archivalien im Diözesanarchiv Pelplin aufbewahrt sind. Die Einrichtung eines Diözesanarchivs in Thorn ermöglicht die Übernahme bisher ungeordneter Pfarrarchive, darunter die der drei ältesten Thorner Kirchen, der Johannis-, der Jacobs- und der Marienkirche, die Akten, vor allem Kirchenbücher enthalten, welche bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen, aber auch noch ältere Archivalien. Bekanntlich existieren interessante Pfarrarchive in Neumark (Nowe Miasto Lubawskie) und in Grabau (Grabowo). Ferner wird das Diözesanarchiv Akten (vor allem Kirchenbücher) übernehmen, die das Gebiet des gegenwärtigen Bistums Thorn betreffen und welche seit dem Zweiten Weltkrieg in Regensburg aufbewahrt werden. Die bischöfliche Kurie erwarb bereits das Gebäude der alten Mühle auf der Vorburg des ehemaligen Ordensschlosses im Zentrum Thorns (zuletzt als Magazin der Universitätsbibliothek genutzt), in welchem das Archiv sein Domizil finden wird. Der Umbau soll 1998 beginnen.
Die Zentralbibliothek der Nikolaus-Kopernikus-Universität ist eine der größten und modernsten wissenschaftlichen Bibliotheken Polens. Sie entstand 1945 zusammen mit der Universität, genaugenommen sogar noch vor deren offizieller Eröffnung. Grundlage der Bibliotheksbestände waren zwischen 1945 und 1949 übernommene Büchersammlungen, welche in den „wiedergewonnenen Gebieten“ (ziemie odzyskane) verlassen vorgefunden, in „Sammelpunkten sichergestellter Bücher“ gesammelt und nach Thorn gebracht worden waren. Von hier sind sie auf die Zentralbibliothek der Universität, die Fachbereichsbibliotheken und andere Bibliotheken verteilt worden. Auf diesem Wege gelangten u.a. die auf dem Schloß der Familie Puttkammer in Pansin gelagerten Bücher, einige Gymnasialbibliotheken, eine Reihe von Büchersammlungen von ostpreußischen Gutshöfen, ein Teil der Stadtbibliothek Elbing (rechtlich als Depositum) und Bücher aus der sog. „Kulturgutsammelstelle der Baltendeutschen“ in Posen nach Thorn. Seit 1947 werden Pflichtexemplare an die Bibliothek abgeliefert. Seit 1973 befindet sich die Zentralbibliothek in dem großflächigen (jüngst erweiterten) Gebäude auf dem Universitätscampus in Bielany. 1996 besaß die Zentralbibliothek der Nikolaus-Kopernikus-Universität 831.000 Monographien, 440.000 Bände laufender Veröffentlichungen (Zeitungen, Zeitschriften, Serien, Sammelwerke) und 542.000 Einheiten in Spezialbeständen, worunter Altdrucke, Handschriften, graphische, musikalische und kartographische Sammlungen sowie auch Dokumente des sozialen Lebens gefaßt werden.
Für den Historiker, der in der Thorner Universitätsbibliothek arbeitet, ist sie nicht nur eine Institution, die Quellenmaterial zur Verfügung stellt, sondern auch eine ergiebige, hervorragend organisierte und gut funktionierende Informationsstelle. Seit längerem besitzt die Bibliothek ein fortlaufend erweitertes computergestütztes Informationssystem über ihre Bestände und ist in dieser Hinsicht die führende polnische Bibliothek. Dank der Anbindung ans Internet ist eine weltweite Suche in Bibliothekskatalogen möglich. Ferner zeichnet sich die Thorner Bibliothek durch eine sonst nur selten gebotene Leistungsfähigkeit bei der Aushändigung bestellter Bücher an die Leser aus. Der rasche Zugriff auf gewünschte Fachliteratur wird durch ein System allgemeiner und spezieller Handbibliotheken gewährleistet. Neben dem Hauptlesesaal (zusammen mit dem sog. „Professorenlesesaal“), dem Lesesaal für laufende Zeitschriften und den Handbibliotheken bei den Spezialsammlungen muss hier vor allem auf die Arbeitsstelle zur Landeskunde der Ostseeregion (Pracownia Pomorzoznawcza) hingewiesen werden. Sie besteht seit dem 1. Oktober 1975 und ist mit der Vorgabe gegründet worden, die Forschungen über Pommern, West- und Ostpreußen, welche in Thorn bei Historikern, Geographen, Kunsthistorikern und Philologen besonders populär sind, aber auch über den gesamten Ostseeraum zu fördern. Die Arbeitsstelle besitzt allerdings in erster Linie geschichtswissenschaftlichen Charakter und dürfte als solche für Historiker sehr nützlich sein, die sich nur zeitweilig in Thorn aufhalten und mit einschlägigen Arbeiten beschäftigen. Es lohnt sich daher, ihre einzelnen Abteilungen hier aufzuzählen: Bibliographien und Nachschlagewerke; Zeitschriften (110 Titel in 1.800 Bänden); Quellenpublikationen; Darstellungen: Serien, Historische Geographie, Wappen-, Siegel- und Münzkunde, Ethnographie, Archäologie, allgemeine Arbeiten zur pommerschen, west- und ostpreußischen Geschichte (gesondert für die Regionen, in alphabetischer Ordnung), darunter eine reiche Sammlung zum Deutschen Orden, weitere Kirchengeschichte, Kunstgeschichte, Städte und Regionen; Biographien (darunter auch Copernicana); Hansegeschichte; Baltische Staaten; skandinavische Staaten. Ein wichtiges Element der Tätigkeit der Arbeitsstelle sind die dort seit einigen Jahrzehnten unternommenen bibliographischen Forschungen zur Geschichte der Ostseeregion, der pommerellischen Presse und zur Thorner Geschichte.
Hinsichtlich der Quellenbestände besitzt die ansehnliche Sammlung an Alten Drucken (bis Ende des 18. Jahrhunderts) und Handschriften der Universitätsbibliothek hervorragende Bedeutung für den Historiker. Jene beläuft sich auf mehr als 62.000 Titel (in 48.000 Bänden), darunter 213 Inkunabeln. Die Herkunft der Sammlung ähnelt der der anderen Bestände: Vorrangig entstand sie als Ergebnis der Sicherung verlassener Sammlungen in Pommern, Pommerellen und Ostpreußen bis zum Ende der vierziger Jahre. Anhand der noch unveröffentlichten Forschungen von Maria Strutyńska läßt sich die Struktur und Provenienz des Altdruck-Bestandes ziemlich genau ermitteln. Zu den wichtigsten Provenienzorten zählen die Stadtbibliothek Elbing (9.300 Positionen in über 8.200 Bänden), die Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg (ungefähr 8.500 Positionen in fast 4.300 Bänden), die Universitätsbibliothek Greifswald (5.700 Positionen in fast 3.000 Bänden), kurländische Sammlungen (Kulturgutsammelstelle der Baltendeutschen in Posen; 2.750 Positionen in 1.570 Bänden), verschiedene Kösliner Bibliotheken (über 1.800 Bände) und verschiedene Stettiner Bibliotheken (gleichfalls ca. 1.800 Bände). Jeweils einige hundert Bände zählen die in die Universitätsbibliothek gelangten Altdrucksammlungen einiger adliger Geschlechter (u.a. Dönhoff). Die Aufstellung von Maria Strutyńska ermöglicht ebenfalls das Alter der Bestände in etwa zu schätzen. Von den Inkunabeln abgesehen dominieren zahlenmäßig Drucke des 18. Jahrhunderts, während in den einzelnen eben erwähnten Gruppen der Befund unterschiedlich ausfällt. So gibt es beispielsweise in den Königsberger Beständen mehr Drucke des 16. und 17. Jahrhunderts als aus späterer Zeit. Um den Inhalt der Altdrucksammlung in der Universitätsbibliothek präzis bestimmen zu können, sind gründlichere Forschungen erforderlich. Die bislang vorliegenden erlauben außer den Aussagen über die Provenienzstruktur nur allgemeine Bemerkungen. So sind die Alten Drucke, wenn es um ihre inhaltliche Charakteristik sowie um die Ausrichtung künftiger Erweiterung und Vervollständigung geht, mit den nördlichen Regionen des ehemaligen polnischen Staates und den Nachbarländern verbunden (hauptsächlich Pomeranica und Vilnensia). Unter den Inkunabeln bilden philosophische, theologische, juristische, geograpische und kosmographische Werke die Mehrzahl. Als besonders wertvoll gilt der Druck des Marienburger Goldschmieds Jakob Karweysse über die Märtyrertode der hll. Dorothea, Barbara, Katharina und Margarethe (um 1492). Aus späteren Zeiten verdienen die Erstausgabe der Chronik des Maciej Miechowita von 1519, die Bielskische Chronik, das Wappenbuch von Paprocki, die Postillen von Samuel Dambrowski und Scultetus oder religiöse protestantische Literatur (Luther, Melanchthon, Arianer) Erwähnung. Wesentlich sind auch die Copernicana: die erste und zweite Ausgabe „De revolutionibus“. Die Handschriftenbestände der Universitätsbibliothek umfassen über 4 000 Positionen. Zu den wertvollsten gehören mittelalterliche Handschriften (ungefähr 100 Einheiten), die aus sichergestellten Sammlungen unterschiedlicher Provenienz stammen, darunter besonders die „Biblia Hieronima“ aus dem 13. Jahrhundert, andere liturgische Bücher, Gebetbücher, Predigten (Predigten des Clemens von Radymno aus dem 16. Jahrhundert), der medizinische Codex „Prognostica Galieni“ aus dem 12. Jahrhundert, eine astronomische Handschrift des 14./15. Jahrhunderts mit dem Titel „Theoriae planetarum“, Statuten des Deutschen Ordens und des Kulmer Rechts aus dem 14./15. Jahrhundert sowie Quellen zur polnischen, v.a. der Geschichte des Königlichen Preußens aus dem 16.-18. Jahrhundert, darunter Diarien des Sejm, ein Kopiar mit Schreiben betreffend die Wahl Stanisław Leszczyńskis zum polnischen König und schließlich päpstliche, königliche, klösterliche und adlige Urkunden. Unter den Prussica besitzen die preußischen Chroniken (Kopien der Chronik Peters von Dusburg und der Chronik Rehdens jeweils aus dem 16. Jahrhundert), aber auch die Beschlüsse der preußischen Landtage und pommerellische Adelsgenealogien besondere Bedeutung. In den Sammlungen befindet sich ferner ein Archiv der Familien Dönhoff und Schwerin, die seit 1826 verwandschaftlich miteinander verbunden waren (ihre Güter lagen in Brandenburg und Mecklenburg), in dem die Familienkorrespondenz aus dem 18. und 19. Jahrhundert sowie einige theologische Codices aus dem 18. Jahrhundert überliefert sind. Weiterhin kann man unter den Handschriften aus dem 19. und 20. Jahrhundert die Archivfragmente von zwei Zeitschriften („Kłosy“ mit einem Protokollbuch aus den Jahren 1865-1888, „Świt“ mit einem Redaktionsbuch 12.6.1885 bis 19.2.1887) hervorheben. Hier finden sich u.a. Erinnerungen und Korrespondenzfragmente von C. K. Norwid, Z. Krasiński, K. Ujejski, M. Konopnicka, E. Orzeszkowa, J. Kasprowicz, A. Grottger, J. I. Kraszewski. In der Thorner Universitätsbibliothek lagern Handschriften, die wichtig für die Geschichte der Großen Emigration nach dem Novemberaufstand von 1830 sind. Unter den Beständen des 20. Jahrhunderts nehmen die Nachlässe von Thorner Professoren einen wesentlichen Platz ein, z.B. von Marian Gumowski, Ryszard Mienicki, Kazimierz Hartleb, Janina Hurynowicz, Stefan Narębski, Stefan Srebrny und Karol Górski. Von Personen, deren Nachlässe an der Universität aufbewahrt wird, obwohl sie nicht an ihr lehrten, sollten erwähnt werden der Sprachwissenschaftler Jan Baudouin de Courtenay (1845-1929), der Kulmer Verleger Walenty Fiałek (1852-1932) und der deutsche Dichter, Komponist und Polonophile Heinrich Nitschmann (1826-1905). Zu den Aufgaben der Handschriftenabteilung zählt schließlich das Sammeln von Doktorarbeiten, die an der Nikolaus-Kopernikus-Universität entstanden und verteidigt wurden.
Innerhalb der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek entstand 1995 das Archiv für Emigration, welches Materialien zur Geschichte des polnischen Exils nach 1939 sammelt. Zu seiner Entstehung trug die Schenkung von zwei wertvollen Spenden für die Universitätsbibliothek bei: Der Herausgeber der Zeitschrift „Kultura“ übergab die Privatbibliothek von Maria und Józef Czapski aus deren Pariser Emigrationszeit und Stefania Kossowskas Archiv der literarischen Wochenzeitschrift „Wiadomości“ aus den Jahren 1940-1981. Die Übernahme weiterer Archivalien und literarischer Sammlungen führte dazu, daß Thorn inzwischen zu einem der wichtigsten Zentren zur Erforschung der polnischen Emigration nach 1939 geworden ist. Neben den erwähnten Nachlässen finden sich in den Thorner Sammlungen die Archive einer Reihe von Exilschriftstellern, darunter Wacław Iwaniuk, Janusz Kowalewski, Tamara Karren-Zagórska, Jan Ulatowski, Michał Chmielowiec, Juliusz Sakowski, das Privat- und Familienarchiv von Felicjan Sławoj Składkowski, Polens letztem Ministerpräsidenten vor dem Kriege, sowie die Archive verschiedener Emigrationseinrichtungen. Hierunter fallen das Archiv der Buchhandlung und des Verlags „Libella“ wie das Archiv des Londoner Jugendtheaters „Syrena“. Neben dem Sammeln von Materialien zur Geschichte der Emigration ist das Thorner Zentrum auch verlegerisch tätig und veröffentlicht in der Reihe „Archiwum Emigracji“ Quellentexte, Bibliographien und Arbeiten zum Thema.
Der offizielle Name Öffentliche Wojewodschaftsbibliothek und Stadtbücherei Nikolaus Kopernikus in Thorn (unter Fachkollegen als „Stadtbücherei Nikolaus Kopernikus“ bekannt) gibt zwei von der Bibliothek seit 1975 wahrgenommene Funktionen wieder: die einer staatlichen öffentlichen Bibliothek, welche das Gebiet der Wojewodschaft Thorn abdeckt, und die einer wissenschaftlichen Bibliothek. Ich konzentriere mich hier auf die zweite Funktion. Die Stadtbücherei entstand 1923 aus der Verbindung von vier Buchsammlungen: der 1594 gegründeten Bibliothek des protestantischen akademischen Gymnasiums (Gymnasialbibliothek zu Thorn), der Ratsbibliothek mit mittelalterlichem Ursprung (Rathsbibliothek zu Thorn), der Bibliothek des 1853 gegründeten deutschen Coppernicus-Vereins für Wissenschaft und Kunst sowie der Bibliothek der seit 1875 bestehenden polnischen Wissenschaftlichen Thorner Gesellschaft (Towarzystwo Naukowe w Toruniu), in die bereits die historische Büchersammlung des Pfarrers Stanisław Kujot, die Exilsammlung von Kapitän Józef Zieliński und die Sammlung Kulmer Drucke von Walenty Fiałek eingegangen waren. Während die ersten drei Bestände historischen Charakter haben und abgeschlossen sind, wird im Fall der weiter bestehenden Wissenschaftlichen Gesellschaft deren Bibliothek im Rahmen der Stadtbibliothek systematisch mit Beständen, die die Gesellschaft erhält, vervollständigt. Dank ihrer historischen Genese und der bewußten Gestaltung der Sammlungen im 20. Jahrhundert ist die Stadtbibliothek eine der wichtigsten wissenschaftlichen Bibliotheken im nördlichen Polen mit einem kulturwissenschaftlichen Charakter unter besonderer Berücksichtigung pommerscher Themen. Ihre Bestände umfassen beinahe eine halbe Million Bände. 1968 wurde der Bücherei der Status einer wissenschaftlichen Bibliothek zuerkannt und seit den siebziger Jahren verfügt sie über ein neues, eigenes Gebäude, das aber für ihre Sammlungen bereits nicht mehr ausreicht. Für den Historiker haben in der Stadtbücherei die Handschriftensammlungen, Altdrucke und kartographischen Sammlungen besondere Bedeutung. Die Handschriftensammlung umfaßt beinahe 1 000 Einheiten. Die wichtigsten sind die Handschriften aus der Gymnasial- und Ratsbibliothek (378 Positionen) sowie die Schenkungen und Legate von Mitgliedern der Wissenschaftlichen Gesellschaft, die formal weiterhin Eigentümer bleibt (370 Positionen). Zum Bestand der Sammlung gehören sowohl mittelalterliche Codices als auch historische Handschriften aus verschiedenen Epochen und literarische Manuskripte. Ein besonders schönes Exemplar unter den mittelalterlichen Handschriften ist der „Codex Naldius“, eine poetische Beschreibung der Bibliothek des ungarischen Königs Matthias Corvinus. Unter den späteren Handschriften ist die vom Anfang des 16. Jahrhunderts stammende Sammlung polnischer Predigten des Jan von Szamotuły, genannt Paterek, hervorzuheben. Ähnlich wertvoll ist der sehr eindrucksvolle Codex in tschechischer Sprache, der folgenden Titel trägt: „Reci z mudrcu pobanskych jakoż i z Petrarky wybrane“. Der Erwähnung wert sind Ulrich Schobers Beschreibung der Gymnasialbibliothek von 1594 und die Gymnasialmatrikeln (Album Studiosorum) aus den Jahren 1600-1817, deren kritische Edition z. Z. vorbereitet wird. Unter den Handschriftenbeständen der Thorner Wissenschaftlichen Gesellschaft überwiegen verschiedenartige Materialien zur Geschichte Pommerns, die von den Mitgliedern gesammelt wurden; unter den literarischen Manuskripten dürfen die Autographen von Adam Mickiewicz, Jan Kasprowicz, Stanisław Przybyszewski und Schriftstellern des 19. Jahrhunderts aus dem Umkreis der „Gazeta Toruńska“ nicht unerwähnt bleiben.
Die Sammlung an Alten Drucken der Stadtbücherei umfasst über 26 000 Bände, darunter 68 Inkunabeln. Unter letzteren überwiegen Drucke aus deutschen Offizinen (Straßburg, Nürnberg, Leipzig, Augsburg) und aus Venedig. Es treten sowohl literarische als auch astronomische Werke auf. Wenn es um spätere Altdrucke geht, so scheint die Sammlung der Stadtbücherei, obwohl sie kleiner ist, entschieden geschlossener zu sein als die der Universitätsbibliothek. Dies bezieht sich vor allem auf eine fast vollständige Sammlung der in der Frühen Neuzeit in Thorn veröffentlichten Drucke. Seit der Gründung der ersten Stadtdruckerei 1569 sammelte die Gymnasialbibliothek alles, was in Thorn publiziert wurde, im 17. Jahrhundert führte der Stadtrat eine Art „Pflichtexemplar“ ein. In diesem Sinne spiegelt die Altdrucksammlung der Stadtbücherei das Profil der Thorner Verlagsproduktion der Epoche wider. Unter den größten Gruppen sollen hier die Gelegenheitsschriften aus Anlass von Hochzeiten, Begräbnissen usw. erwähnt werden, die Quellen zur Geschichte der bürgerlichen Familien darstellen, weiterhin die wissenschaftlichen Arbeiten der Professoren des akademischen Gymnasiums sowie andere, das Gymnasium betreffende Materialien, solche zur Geschichte des Kulmer Rechts, zur Geschichte der Reformation und des Katholizismus, endlich Werke neulateinischer Dichter aus dem Königlichen Preußen und benachbarten Ländern. In der Altdrucksammlung der Stadtbücherei befindet sich eine Reihe von Drucken, die in anderen Buchdruckereien in Polen-Litauen erschienen. Auch in dieser Hinsicht kann man die Sammlung der Stadtbücherei als repräsentativ ansehen, besonders wenn es um die Werke von Mikołaj Rej, Jan Kochanowski und Andrzej Frycz Modrzewski geht. Für das 16. Jahrhundert ist die Sammlung auch im Bereich der veröffentlichten Rechtstexte repräsentativ, hier finden sich u.a. die „Statuta“ von Łaski, „Constitucie y Przywileie“ der Jahre 1550-1569, „Statuta i Przywileje Koronne“ von Jan Herburt in einer lateinischen (1567) und einer polnischen (1570) Version. Diese musterhafte Zusammenstellung läßt sich durch die Chroniken des Miechowita (1521), Guagnini (1578) oder Bielski (1597) vervollständigen. Zu einer weit gefaßten Gruppe von „Copernicania“ kann man neben den ersten drei Ausgaben von Kopernikus „De revolutionibus“ die Arbeiten von Apianus, Keppler, Galilei und Hevelius zählen.
Die kartographische Sammlung der Stadtbücherei setzt sich aus 3.583 Karten und Atlanten zusammen und ist „wie schon Alojzy Tujakowski feststellte“ in hohem Maße ein Abbild der geographischen und kartographischen Interessen der Professoren des Thorner Gymnasiums. Die hier vorhandenen Atlanten und Globen stellen in anderen polnischen Bibliotheken eine Seltenheit dar. Hervorzuheben sind zwei Ausgaben des Atlas• von Abraham Ortelius (1573 und 1598), in denen sich eine der ältesten Karten Polens von Wacław Grodecki von 1558 und eine Wandkarte von Preußen von Caspar Henneberger von 1576 befinden. Zu den Schmuckstücken der Sammlung gehören zweifelsohne die alten Globen: ein Himmelsglobus von Mercator von 1551, ein Himmelsglobus von Gerard Blaeu von 1616 und ein Erdglobus von Wilhelm Caesius von 1622. Die Buchsammlungen des 19. und 20. Jahrhunderts haben wie erwähnt in erster Linie kulturwissenschaftlichen und pommerellenkundlichen Charakter. Sie lassen sich an dieser Stelle nur schwerlich näher charakterisieren. Jedoch sollen wenigstens die reichen Presse- und Zeitschriftensammlungen genannt werden, die oftmals den Charakter von Unikaten besitzen. In den Sammlungen der Bücherei sind etwa 4.000 Titel erfasst, unter welchen die Sammlungen der pommerellischen Presse aus dem 19. und 20. Jahrhundert (v.a. aus der Zwischenkriegszeit) besondere Bedeutung haben. Zu erwähnen ist eine Gruppe polnischer Zeitschriften, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Kulm herausgegeben wurden, darunter solche Titel wie „Szkoła“ und „Szkółka Narodowa“ 1848-1850, „Nadwiślanin“ 1850-1866, „Przyjaciel Ludu“ oder „Piast“. Gewissermaßen eine Fortsetzung des „Nadwiślanin“ war die 1867-1921 herausgegebene „Gazeta Toruńska“. In der Zwischenkriegszeit war das populärste Lokalblatt „Słowo Pomorskie“. Weniger vollständig (aber durch Mikrofilme aus anderen Sammlungen komplettiert) sind die Jahrbücher der „Gazeta Grudziądzka“ 1894-1939. Die Bücherei besitzt selbstverständlich eine reiche Auswahl der deutschen Presse dieser Zeit („Thorunia“, „Thorner Wochenblatt“ , „Thorner Zeitung“). Abschließend sei hervorgehoben, dass das pommerellenkundliche Profil der Bücherei seine Widerspiegelung in der Organisationsstruktur in Gestalt eines regionalkundlichen Lesesaals findet, in welchem eine Handbibliothek grundlegende Arbeiten und Verlagsreihen zur Geschichte Thorns und Pommerellens zugänglich macht.
Die Bibliothek des Instituts für Geschichte und Archivwissenschaften der Nikolaus-Kopernikus-Universität entstand 1946 als Gesamtbibliothek der historischen Lehrstühle. Gegenwärtig zählt sie 55.000 Bände und ist für den Historiker, der in Thorn arbeitet, aus mehreren Gründen wichtig. Ihre Sammlung entstand zunächst ähnlich wie die der Zentralbibliothek der Universität, d.h. durch die Übernahme von sichergestellten, ehemals deutschen Sammlungen im heutigen Nordpolen. Infolgedessen finden sich in der Bibliothek eine Reihe von Positionen, die insbesondere Pommerellen und Preußen betreffen und selbst in der Zentralbibliothek der Universität nicht oder nur in Einzelexemplaren vorhanden sind. Die Bibliothek verfügt zum Beispiel über fast vollständige Serien der wichtigsten historischen Zeitschriften der Region wie „Mitteilungen des Coppernicus-Vereins“, „Zeitschrift des Westpreußischen Geschichtsvereins“, die Vorkriegsbände der „Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands“. Für den Benutzer des Thorner Archivs ist die Bibliothek des Instituts für Geschichte und Archivwissenschaften als Arbeitsstätte entschieden bequemer als die Zentralbibliothek der Universität, weil sie in der Nachbarschaft liegt und übersichtlicher ist. Abgesehen von den „preußischen“ Beständen sammelt die Bibliothek durch Ankauf, Spenden und Tausch die gesamte zeitgenössische polnische historische Literatur „soweit möglich“ aus dem Ausland. Bibliographische Recherchen werden durch die große Sammlung von Sonderdrucken von Thorner Autoren erleichtert. Die Bibliothek des historischen Instituts ist über Internet mit der Universitätsbibliothek verbunden.
Das Bezirksmuseum in Thorn ist in der hier gebotenen Zusammenstellung von Institutionen, die Historikern bei ihren Forschungen in Thorn nützlich sein können, eine Einrichtung eigener Art. Ich habe nicht die Absicht, die musealen Sammlungen einzeln vorzustellen, dies ist in ausreichendem Maße in dem kürzlich erschienenen Sammelwerk „Muzea Pomorza Nadwiślańskiego. Tradycja i współczesność“ (hg. v. M. Woźniak, Toruń 1996) geleistet worden. Die Sammlungen des Bezirksmuseums enthalten jedoch Materialien, die Quellen für historische Forschungen oder zu einzelnen historischen Hilfswissenschaften darstellen, weshalb hierauf kurz eingegangen werden soll. Das Bezirksmuseum erbte die reichen Traditionen einiger Einrichtungen in Thorn, welche sich „teilweise bereits seit Ende des 16. Jahrhunderts“ mit in heutigem Sinn musealer Tätigkeit beschäftigten. 1930 erfolgte die Verbindung der für die Entstehung des Museums grundlegenden Sammlungen des deutschen „Coppernicus Vereins für Wissenschaft und Kunst“ und der polnischen Thorner Wissenschaftlichen Gesellschaft innerhalb des Stadtmuseums, 1950 wurde das Thorner Stadtmuseum verstaatlicht und firmierte zunächst als „Pommerellisches Museum“, bis es 1965 die gegenwärtige Bezeichnung annahm.
Das Bezirksmuseum besitzt eine kleine Sammlung von einigen Dutzend Handschriften aus dem Zeitraum 1918-1945, die vor allem Erinnerungsschrifttum enthält, ferner Dokumente, die Offiziere der Thorner Garnison in der Zwischenkriegszeit betreffen, und schließlich Materialien, die mit den nationalsozialistischen Verbrechen in der Umgebung von Thorn 1939-1945 in Verbindung stehen. Die numismatische Sammlung umfaßt ungefähr 36.500 Münzen, darunter fast vollständig die Münzen, die in den Münzstätten des Deutschordensstaates sowie im Königlichen Preußen und im Herzogtum Preußen der Frühen Neuzeit geschlagen worden sind, aber auch zahlreiche polnische Münzen aus der Frühen Neuzeit und schließlich eine wertvolle Sammlung antiker griechischer und römischer Münzen. Wertvoll ist der Bestand an Thorner Stempeln seit dem Ende des 13. Jahrhunderts. Bedeutsam ist gleichfalls die Sammlung an Papiergeld, darunter Geldverschreibungen aus der Zeit des Kościuszko-Aufstandes 1794, Ersatzbanknoten aus Pommern, West- und Ostpreußen aus den zwanziger Jahren. Zweifellos zu den Attraktionen des Thorner Museums zählen die Masonica-Sammlungen (insbesondere die Logenausstattungen) sowie die Kollektion von neusumerischen Keilschrifttexten. Eine wichtige Gruppe von Quellen sind die kartographisch-ikonographischen Sammlungen, namentlich die ungefähr 500 Veduten, die sowohl vollständige Stadtansichten als auch einzelne Ausschnitte und Gebäude, vor allem Thorns, aber auch einer Reihe anderer Städte des ehemaligen Kulmer Landes und der Wojewodschaft Pommern in den Grenzen der Zwischenkriegszeit bieten. Außerdem besitzt das Thorner Museum eine archäologische Abteilung, in der u.a. Exponate gesammelt werden, die durch archäologische Forschungen oder Bodendenkmalpflege im Thorner Gebiet gefunden wurden.
Eine wichtige Abteilung des Bezirksmuseums in Thorn ist das Nikolaus-Kopernikus-Museum, das im mutmaßlichen Geburtshaus des großen Astronomen in der ul. Kopernika untergebracht ist. Seine Aufgabe ist die Sammlung sämtlicher Materialien, die mit Kopernikus, seiner Zeit, der Geschichte der Astronomie und der Geschichte des Kopernikuskultes in allen Epochen verbunden sind. Aus diesem Grunde sammelt das Museum nicht nur typische Museumsobjekte (z.B. astronomische Instrumente, Kopernikus-Porträts, Faksimiles von Dokumenten seiner Zeit), sondern in einer eigenen Bibliothek auch Publikationen zu und über Kopernikus. Gegenwärtig finden sich hier 1.600 Bände, darunter 38 Alte Drucke (u.a. Wiederauflagen der Werke des Astronomen). Das Museum sammelt aber noch weiteres, was hilfreich für den Historiker sein könnte, wie Plakate, Postkarten und Briefmarken.
Für den in Thorn arbeitenden Historiker sind schließlich Informationen zur Dokumentationsabteilung wichtig, die am Hauptsitz des Museums im altstädtischen Rathaus eingerichtet ist. Zu ihren Beständen zählt eine Spezialbibliothek mit über 20.000 Bänden, die gleichfalls die grundlegende historische Literatur, v.a. aus den Bereichen Kunst- und Kulturgeschichte, Archäologie, Numismatik, Museologie und Konservierungswissenschaften sammelt. Darüber hinaus befindet sich in der Abteilung ein Archiv mit Fotoplatten und fotografischen Abzügen, welches ungefähr 50.000 Einheiten umfasst. Unter diesen sind vor allem die aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts stammenden ikonographischen Materialien zu erwähnen, die die städtischen Befestigungen, die Bürgerhäuser, das altstädtische Rathaus und die Kirchen darstellen. In dieser Abteilung befindet sich ein abfotografiertes Album mit Zeichnungen Georg Friedrich Steiners (das Original ging im Zweiten Weltkrieg verloren) aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Es enthält über 100 Zeichnungen, die Thorn und seine wichtigsten Gebäude, aber auch andere Städte des Kulmer Landes zeigen und die für Kunst- und Architekturhistoriker wertvoll sind. Die Fotoplatten bilden die Grundlage für die gegenwärtig vorbereitete Edition des Steinerschen Albums.